Vor einem Jahr hat die Weltgemeinschaft versprochen, ein Drittel der Fläche zu Lande und zu Wasser unter Naturschutz zu stellen. Was daraus geworden ist.

Der Natur geht es schlecht, die Artenvielfalt schrumpft massiv. Treiber sind das Bevölkerungswachstum, der Ausbreitung der Städte, die Umwandlung von Naturflächen in Weiden und Ackerland, Umweltverschmutzung und der Klimawandel. Vor einem Jahr haben die Vereinten Nationen in Montreal das Weltnaturabkommen beschlossen. Es galt als Erfolg für den Naturschutz: Die Staaten verpflichteten sich, den weltweiten Verlust der Biodiversität aufzuhalten und geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Ein zentrales Ziel des Weltnaturabkommens ist, 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen. Derzeit sind etwa 17 Prozent beziehungsweise 8 Prozent der Flächen weltweit geschützt.

Erste Finanzierung steht

Beim UN-Umweltprogramm (UNEP) sieht man einen Fortschritt in der Finanzierung von Naturschutz. „Die Einrichtung des globalen Naturschutz-Fonds im August war ein wichtiger Schritt, um die nötigen Ressourcen zu mobilisieren“, sagte David Ainsworth, Sprecher des Sekretariats der Übereinkommens über die biologische Vielfalt.

Deutschland hatte im September 40 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt. Mit Beiträgen aus Kanada und Großbritannien sind mehr als 200 Millionen Dollar im Topf, und der Fonds kann die Arbeit aufnehmen. Anfang 2024 soll über erste Projekte entschieden werden, in die im Laufe des Jahres Mittel fließen sollen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im September 2022 bei der UN-Generalversammlung in New York versprochen: Deutschland werde ab 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro für den internationalen Biodiversitätsschutz bereitstellen.

Der Fonds war eines der Ziele des Weltnaturgipfels bis 2030. Ärmere Länder sollen bis 2025 mit jährlich 20 Milliarden und bis 2030 mit jährlich 30 Milliarden Dollar unterstützt werden. Weitere Ziele bis 2030: Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sollen unter Schutz gestellt werden. Wie die Flächen „wirkungsvoll konserviert“ werden sollen, blieb vage. Weitere 30 Prozent der Flächen sollen renaturiert werden. Die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide und Chemikalien soll halbiert und umweltschädliche Subventionen in Höhe von 500 Milliarden Dollar sollen abgebaut werden.

Ernüchterung bei Naturschützern

Die Umweltorganisation WWF Deutschland sieht wenig Grund zum Feiern.
Es fließe nicht genügend Geld in Länder des globalen Südens. „Die feierlich verabschiedeten Ziele lösen sich in Luft auf, wenn selbst ein reiches Industrieland wie Deutschland nicht das versprochene Geld bereitstellt“, sagte Florian Titze, WWF-Experte für internationale Politik. „Die Natur kümmert sich nicht um die Haushalts- und Schuldenbremse. Neben dem Vertrauensverlust stehen die Biodiversitätshotspots der Erde auf dem Spiel, von denen die Lebensgrundlagen aller Menschen abhängen.“

In Deutschland wenig Fortschritt

Ökologie-Professorin Katrin Böhning-Gaese von der Universität Frankfurt und Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität an der Universität Hamburg, bezeichnen das Abkommen weiterhin als Meilenstein. In Deutschland sehen sie aber wenig Fortschritt.

„Derzeit ist der Schutz in deutschen Schutzgebieten in der Regel nicht sehr effektiv“, meinte Böhning-Gaese. „Nur 25 Prozent der Arten und 30 Prozent der Lebensräume in Flora-Fauna-Habitat-Gebieten sind in einem guten Erhaltungszustand.“ Glaubrecht findet, dass Deutschland sich mit dem strikten Schutz der Natur schwertut. Das habe die Diskussion um die Einrichtung eines Nationalparks Ostsee vor Fehmarn gerade wieder gezeigt. „Auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen – etwa die Abschaffung einer reduzierten Mehrwertsteuer bei Flügen und Fleisch –, auf die sich Deutschland in Montreal ebenfalls verpflichtet hat, tut sich außer Reden nicht viel. Ich sehe keine wirklich wirksame Initiative seitens der Bundesregierung, die Ziele des Weltnaturabkommens zeitnah umzusetzen.“

In Deutschland gibt es knapp 9000 Naturschutzgebiete, aber nur 0,6 Prozent der Landesfläche sind als Nationalparks mit dem höchsten Schutzstatus ausgewiesen. Damit belegt Deutschland innerhalb der EU den drittletzten Platz, nur Belgien und Dänemark haben weniger Flächen mit strengen Schutz.